Die neue Veröffentlichung des Centre for European Policy Studies (CEPS) mit dem Titel „The EU should transform its buildings from carbon sources into carbon sinks“ setzt sich damit auseinander, wie der europäische Gebäudesektor, einer der größten Verursacher von Treibhausgasen, zu einem zentralen Bestandteil der Klimawende werden kann. Es wird aufgezeigt, dass die bisherigen politischen Maßnahmen, die vor allem auf Energieeffizienz und die Reduzierung von Betriebsemissionen abzielen, künftig um eine konsequente Einbeziehung der sogenannten grauen Emissionen erweitert werden müssen. Ziel sei es, Gebäude nicht länger als Klimaproblem, sondern als Teil der Lösung zu verstehen – als Speicher von Kohlenstoff, die aktiv zur Erreichung der Netto-Null-Ziele der EU beitragen können. Im Folgenden werden die Inhalte beleuchtet:
Hintergrund und Problemstellung
Gebäude verursachen rund 40 Prozent der Treibhausgasemissionen der Europäischen Union und etwa ein Drittel des gesamten Abfalls. Um die gesetzten Netto-Null-Ziele bis 2050 zu erreichen, muss der Bausektor vollständig dekarbonisiert werden. Bisher lag der politische Fokus vor allem auf den betrieblichen Emissionen, also auf Aspekten wie Heizung, Dämmung und Energieeffizienz. Diese Fortschritte sind zwar bedeutend, doch die sogenannten grauen Emissionen, die bei der Herstellung, beim Transport und bei der Entsorgung von Baumaterialien entstehen, werden zunehmend entscheidend für die Klimabilanz eines Gebäudes.
Der Paradigmenwechsel: Von Energie zu Materialien
Die überarbeitete EU-Gebäuderichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) führt erstmals den sogenannten Whole-Life-Carbon-Ansatz ein. Damit werden sämtliche Lebenszyklusphasen eines Gebäudes berücksichtigt, von der Materialgewinnung über die Nutzung bis hin zur Entsorgung. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Grenzwerte für die gesamten Lebenszyklus-Emissionen festzulegen. Dänemark und Schweden gelten hier als Vorreiter, da sie bereits nationale CO2-Grenzwerte eingeführt oder in Vorbereitung haben. Im Zuge der EPBD müssen bis zum Jahr 2027 alle EU-Staaten Fahrpläne veröffentlichen, die aufzeigen, wie sie solche Grenzwerte umsetzen wollen. Ziel dieser Vorgaben ist es, die „Kohlenstoffkosten“ eines Gebäudes zu begrenzen und damit Innovationen in Richtung emissionsarmer Bauweisen voranzutreiben.
Die Bedeutung der Materialwahl
Zement, Beton und Stahl bleiben trotz ihrer hohen Klimabelastung zentrale Baustoffe der europäischen Bauwirtschaft. Um deren Auswirkungen zu verringern, schlägt die Studie zwei zentrale Strategien vor: Zum einen sollen weniger Materialien eingesetzt werden, etwa durch effizientere Planung, ressourcenschonende Bauweisen und zirkuläres Design. Zum anderen soll der Einsatz von Materialien zunehmen, die Kohlenstoff speichern statt ausstoßen. Die Ausweitung des EU-Emissionshandelssystems auf Gebäude kann diesen Wandel unterstützen, muss jedoch auch die Emissionen aus der Materialproduktion einbeziehen.
Vom Emittenten zum Kohlenstoffspeicher
Biobasierte Baustoffe wie Holz, Hanf, Stroh oder Bambus können langfristig Kohlenstoff binden und dabei konventionelle, emissionsintensive Materialien ersetzen. Auch technologische Innovationen gewinnen an Bedeutung. Dazu gehören etwa die Zugabe von Pflanzenkohle (Biochar) zu Beton oder neuartige Zemente, die in der Lage sind, über die Zeit hinweg CO2 wieder aufzunehmen. Darüber hinaus können zirkuläre Bauprinzipien wie Langlebigkeit, Modularität und Wiederverwendbarkeit die grauen Emissionen deutlich senken.
Handlungsempfehlungen für die Europäische Union
Die Studie benennt drei wesentliche Schritte, um den Whole-Life-Carbon-Ansatz europaweit wirksam umzusetzen:
1. Erstens muss eine politische und methodische Harmonisierung erfolgen. Dazu gehört die Angleichung von Definitionen, Benchmarks und Bewertungsmethoden zwischen der Gebäuderichtlinie, der EU-Taxonomie und der Bauproduktverordnung. Nur einheitliche Standards verhindern eine fragmentierte Umsetzung in den Mitgliedstaaten. Hierauf hat der HDH erst kürzlich bei einer öffentlichen Konsultation zum Rechtsaktentwurf: EU-Rahmen für die Berechnung des Treibhauspotenzials von Neubauten hingewiesen.
2. Zweitens muss die Glaubwürdigkeit durch verlässliche Überwachungs- und Rückverfolgbarkeitssysteme sichergestellt werden. Eine transparente CO2-Bilanzierung und die Nachverfolgung von Materialien über den gesamten Lebenszyklus schaffen Vertrauen und erhöhen die Klimawirkung.
3. Drittens sollten gezielte Marktanreize für CO2-arme und CO2-negative Materialien geschaffen werden. Eine gezielte Förderung auf der Nachfrageseite, ähnlich dem Clean Industrial Deal, kann die Innovation beschleunigen, die Kosten senken und neue Märkte für nachhaltige Baustoffe erschließen.
Fazit aus Sicht der Holzindustrie
Die Ergebnisse der Studie unterstreichen, welche zentrale Rolle Holz und andere biobasierte Baustoffe für die klimaneutrale Zukunft des Bauens spielen. Holz ist ein nachwachsender, CO2-bindender Rohstoff, der nicht nur beim Wachstum Kohlenstoff speichert, sondern diesen auch über die gesamte Nutzungsdauer eines Gebäudes festhält. Damit wird jeder Kubikmeter verbautes Holz zu einem aktiven Beitrag zum Klimaschutz. Aus Sicht der Holzindustrie bietet die von CEPS geforderte Hinwendung zu einem Whole-Life-Carbon-Ansatz eine große Chance: Sie schafft die politischen und regulatorischen Voraussetzungen, um den Einsatz von Holz stärker zu fördern, Innovationskraft im Holzbau weiter auszubauen und die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber konventionellen, CO2-intensiven Baustoffen zu erhöhen.
Die Holzindustrie kann dabei als Schlüsselakteur der Transformation wirken – sie verbindet Klimaschutz, Ressourceneffizienz und nachhaltige Wertschöpfung. Entscheidend ist nun, dass politische Rahmenbedingungen, Forschungsförderung und Marktanreize den verstärkten Einsatz von Holz und anderen natürlichen Materialien aktiv unterstützen. Nur so kann Europa die im Bericht formulierte Vision verwirklichen: Gebäude, die nicht länger CO2 ausstoßen, sondern es speichern und damit vom Teil des Problems zum Teil der Lösung werden.
Das Centre for European Policy Studies (CEPS)
Das Centre for European Policy Studies (CEPS) ist ein unabhängiger, in Brüssel ansässiger Thinktank, der sich mit Fragen der europäischen Politik und Integration befasst. Es wurde 1983 gegründet und zählt heute zu den einflussreichsten Forschungseinrichtungen der Europäischen Union. CEPS arbeitet interdisziplinär und berät EU-Institutionen, nationale Regierungen, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Akteure. Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Klima- und Energiepolitik, Wirtschaft, Finanzen, Handel, Sicherheit, Governance und soziale Fragen. Ziel des Instituts ist es, durch evidenzbasierte Forschung und Politikempfehlungen zur Gestaltung einer nachhaltigen, wettbewerbsfähigen und integrativen Europäischen Union beizutragen.
Den Vollständigen Artikel finden Sie im HDH-Newsportal.
