Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 11. November 2025 zur EU-Mindestlöhne-Richtlinie entschieden und nunmehr die Urteilsbegründung veröffentlicht. Der Gerichtshof hat bestätigt, dass die Richtlinie nur teilweise für nichtig erklärt wird. Die übrigen Regelungen bleiben bestehen und müssen von den Mitgliedstaaten weiterhin vollständig umgesetzt werden.

Der Gerichtshof stellt dabei klar, dass der Ausschluss der Unionszuständigkeit nach Art. 153 Abs. 5 AEUV zum Arbeitsentgelt eng auszulegen ist. Ein Verstoß liege nur dann vor, wenn das Unionsrecht unmittelbar in die Festsetzung und damit die Höhe des Arbeitsentgelts eingreift. Ein mittelbarer Bezug zu Fragen des Arbeitsentgelts reiche nicht aus, um die Zuständigkeit der Union auszuschließen.

Welche Regelungen wurden für nichtig erklärt?

Der EuGH hat bestimmte Vorgaben aus Artikel 5 der Richtlinie aufgehoben, weil sie unmittelbar in die nationale Festsetzung von Arbeitsentgelten eingreifen und damit die Zuständigkeit der EU überschreiten. Konkret sind nichtig:

  • Art. 5 Abs. 2: Die Mindestanforderungen für nationale Kriterien, die vier verbindliche Aspekte für die Festlegung von Mindestlöhnen vorgaben.
  • Art. 5 Abs. 1 (teilweise): Der Satzteil „einschließlich der in Absatz 2 genannten Aspekte“.
  • Art. 5 Abs. 3 (teilweise): Der Satzteil, der verbietet, dass automatische Anpassungsmechanismen zu einer Absenkung des gesetzlichen Mindestlohns führen.

Nach Auffassung des Gerichts hätten diese Vorgaben unmittelbar Einfluss auf die konkrete Lohnhöhe und damit eine unzulässige Teilharmonisierung der Entgeltfestsetzung bewirkt.

Welche Regelungen bleiben bestehen?

Alle übrigen Artikel der Richtlinie – einschließlich der Vorgaben zur Förderung von Tarifverhandlungen (Art. 4) und der allgemeinen Anforderungen an „angemessene“ Mindestlöhne – behalten ihre Gültigkeit. Der EuGH betont, dass diese Vorschriften den Mitgliedstaaten weiterhin einen weiten Gestaltungsspielraum lassen und nicht unmittelbar in die Lohnfestsetzung eingreifen. Somit bleibt auch die Pflicht bestehen, Maßnahmen zur Stärkung der Tarifbindung zu ergreifen und gegebenenfalls einen Aktionsplan vorzulegen, wenn die Tarifabdeckung unter 80 % liegt.

Einordnung und weitere Schritte

Die EU-Kommission hat bereits angekündigt, die Auswirkungen der für nichtig erklärten Teile zu prüfen. Für die nationalen Mindestlohnregelungen der Mitgliedstaaten hat das Urteil jedoch keine unmittelbare Auswirkung: Die Richtlinie muss weiterhin vollumfänglich umgesetzt werden – abgesehen von den nun aufgehobenen Vorgaben.

Trotz der aus Arbeitgebersicht bedauerlichen Entscheidung, die Richtlinie nicht vollständig aufzuheben, markiert das Urteil eine wichtige Grenze europäischer Kompetenzen. Der EuGH stellt klar, dass die EU keine verbindlichen Kriterien zur Lohnhöhe vorgeben darf. Gleichzeitig bleibt die weite Auslegung der Zuständigkeit für „Arbeitsbedingungen“ kritisch, insbesondere im Hinblick auf die Tarifautonomie und das Koalitionsrecht.

Sie finden das Urteil im HDH-Newsportal-Beitrag.